„Die Filme des diesjährigen Programms konfrontieren uns so wie ihre Protagonist*innen mit den Unsicherheiten, Sorgen und Ängsten des Dazwischenseins, aber erzählen auch von Hoffnungen und Träumen, wenn man den Status quo hinter sich lässt und den Aufbruch wagt. So widmen wir uns im Film- und Rahmenprogramm Schwebezuständen, die im Spannungsverhältnis zwischen Stillstand und Veränderung stehen.“ Marie-Christine Hartig, Martin Lintner und Katja Seidl (Festivalleitung).
Zur Eröffnung startet die ethnocineca mit einer Keynote Lecture von Mariangela Mihai (Western Washington University & Georgetown University) und präsentiert die WienPremiere des armenischen Films 5 DREAMERS AND A HORSE.
KEYNOTE LECTURE 4. Mai 2023, 18.30 Uhr
A Methodology of Love: On Feminist, Queer and Ethnofiction Filmmaking
Im Eröffnungsvortrag untersucht Mariangela Mihai, was es bedeutet, marginalisierte Erfahrungen und Stimmen durch eine Filmpraxis in den Mittelpunkt zu stellen und fragt, wie Anthropolog*innen und Filmemacher*innen sich an einer Ethik der methodischen Praxis von Care orientieren können, die sich einen intimen, zwischenmenschlichen und ehrlicheren Austausch von Wissen zum Ziel setzt. Vortrag in englischer Sprache.
ERÖFFNUNGSFILM 4. Mai 2023, 20 Uhr
5 DREAMERS AND A HORSE
Vahagn Khachatryan, Aren Malakyan | Armenien, Deutschland, Schweiz 2022 | 82 Min. | Armenisch mit englischen Untertiteln
Aren Malakyan und Vahagn Khachatryan erzählen in ihrem Langfilmdebüt die Geschichte von vier Menschen und ihren Träumen. Melania ist Fahrstuhlführerin in einem Krankenhaus und wünscht sich, eine Reise ins Weltall zu unternehmen. Karen, ein junger Bauer, hofft darauf, die perfekte Frau zu finden. Und Sona und Amasia träumen über den Dächern von einem Leben in Freiheit und Selbstbestimmtheit.
Anhand der Geschichten dieser Träumer*innen zeigen sich gegensätzliche Visionen eines zwischen Vergangenheit und Zukunft oszillierenden Armeniens, das von sowjetischer, postsowjetischer und samtener Revolution geprägt ist. Mit präzisen Einstellungen, geschickter Montage und einer Portion Humor erzeugen die Filmemacher das Bild eines im Wandel begriffenen Landes.
Der Film wird in Anwesenheit der Filmemacher gezeigt. Wiederholung am 9. Mai, 17 Uhr im Kino De France.
IM FOKUS: LIMINALITIES
Im Programm 2023 legt die ethnocineca den Fokus auf Übergangsphasen und Zwischenzustände, die in mikrokosmischen Betrachtungen persönlicher Biographien erkennbar werden, oder sich in umfassenden soziopolitischen Reflexionen von gesellschaftlichem Wandel widerspiegeln. Das Interesse gilt filmischen Annäherungen an und Reflexionen über jene Lebensabschnitte oder gesellschaftlichen Schwebezuständen, in welchen Altes schon vergangen, das Neue aber noch nicht erreicht ist. Die vier Fokusprogramme eröffnen einen differenzierten Zugang zu den Nuancen von Schwebezuständen und den darin wirkenden Kräften.
BLURRED BOUNDARIES
HYBRID CINEMA BETWEEN FICTION, DOCUMENTARY & THE ETHNOGRAPHIC
Im Fokusprogramm BLURRED BOUNDARIES verschmelzen die Grenzen zwischen fiktiven Inszenierungen und dokumentarischen Erzählstrategien. In der Verschränkung von ethnographischer und dokumentarischer Praxis mit Fiktion entstehen neue filmische Ausdrucksformen.
Mexikanische Österreichpremiere

SIETEFILOS XIICA CMOTOMANOJ (SEVEN RIDGES)
Antonio Coello | Mexiko, Kolumbien, USA, Norwegen 2022 | 75 Min. | Seri, Spanisch mit engl. Untertiteln
Den alten Traditionen folgend bittet die Großmutter ihre Enkelin Margarita darum, Vorbereitungen für ihr Initiationsritual in das Erwachsenenleben zu treffen. Doch längst unterliegen die alten Werte dem Druck durch äußere Einflüsse: Wassermangel, moderne Konsumgüter und Drogen prägen das Leben der jungen Generation. Während sich ihre ältere Schwester im Drogenkonsum verliert, ist Margarita noch auf der Suche nach ihrem eigenen Weg.
SIETEFILOS XIICA CMOTOMANOJ, zwischen Ethnofiktion und rockigen Coming of Age Musical, ist der erste Langfilm, der in der Seri-Sprache Cmiique Iitom produziert wurde. Der visuelle Anthropologe Antonio Coello trägt damit zum laufenden Prozess der Wiederbelebung der indigenen Kultur und Sprache der Seri bei.
5. Mai | 19:30 Uhr
Votiv Kino, Gr. Saal
Trailer: vimeo.com/375246566
www.ethnocineca.at/sietefilos-xiica-cmotomanoj

MAMÁ (MOM)
Xun Sero | Mexiko 2022 | 80 Min. | Tzotzil, Spanisch mit engl. Untertiteln
Xun Sero ist in Chiapas, Mexiko, zwischen Jungfrau Guadalupe und Mutter Erde aufgewachsen. Als Kind ohne Vater wurde er oft verspottet und machte dafür seine Mutter verantwortlich. Als junger Erwachsener beginnt er nun, sein gewalttätiges Verhalten ihr gegenüber zu reflektieren. Die Frage „Wer bist du, Mama?“ wird zum Ausgangspunkt, um die tief in der patriarchal geprägten Gesellschaft verankerte Gewalt gegenüber Frauen aufzudecken und sich den eigenen Verhaltensmustern zu stellen.
In seinem Langfilmdebüt schafft Sero ein Portrait einer starken und resilienten Frau und entfacht dabei einen Dialog zwischen Mutter und Sohn, in dem beide ihre Widersprüche erforschen, sich gegenseitig anerkennen und über Gewalt und deren gesellschaftliche Reproduktion nachdenken.
6. Mai | 19:15 Uhr
Votiv Kino, Gr. Saal
Webseite: www.documentalmama.com/en